Aus dem Gesprächslabor: In den Garten

2023 haben wir ein besonderes Angebot für euch: Auf der Schallaburg legen wir heuer die Kommunikation unter’s Mikroskop. Im „Gesprächslabor“ diskutieren verschiedene Altersgruppen die Fragen unserer Gäste. Auch die von Renate und ihrer Erfahrung mit Mobbing. Und welche Rolle der Garten dabei spielen kann.

Heuer steht ein Briefkasten in unserer Ausstellung auf der Schallaburg. Wenn ich den Briefkasten ausleere, bin ich vorsichtig. Was drin ist, wiegt schwer: Es sind ganz persönliche Erinnerungen unserer Gäste. 

Heute hat uns Renate geschrieben. Ihre Schulzeit liegt Jahrzehnte hinter ihr, die eine Szene mit ihrer Klassenlehrerin hat sich aber nachhaltig eingebrannt: Gehänselt wurde sie von den anderen Kindern in ihrer Klasse, sie hat darunter gelitten. Bei der Lehrerin sucht sie Hilfe. „Die Lehrerin wollte mit den Schülern reden, warum sie mich so sekkieren. Heute heißt das Mobbing. Sie hat die Frage gestellt, dann hat es geläutet. Damit war das Gespräch für die Lehrerin beendet. Es hat sie nicht wirklich interessiert.“ 

Was sie sich damals gewünscht hätte? „Akzeptanz, Sicherheit und Verständnis. Und Interesse daran, was mir jeden Tag passiert ist .“ Traurig, wütend und enttäuscht ist sie gewesen. Und das wirkt nach. So sehr, dass sie sich Jahrzehnte später noch daran erinnert. 

Renates Beispiel geht ins Gesprächslabor. Die Klasse 5A eines niederösterreichischen Gymnasiums ist gekommen, um über Renates Problem nachzudenken. Ihre Bedürfnisse liegen am Tisch, in dem kleinen Brief, den sie uns am Wochenende davor hinterlassen hat. Die Frage, die uns gemeinsam bewegt: Wie hätte es besser laufen können? 

Wir sprechen ja oft davon, wie wichtig es ist, aus der Geschichte zu lernen. Wir wollten es nicht beim Schlagwort belassen. Was könnte dazu beitragen, Renate mehr Sicherheit und Verständnis zu vermitteln? Was hätte ihre Lehrerin besser machen können? 

In Kleingruppen erarbeiten wir das, was uns allen am wichtigsten erscheint. Dann schreiben wir einen Brief in die Vergangenheit. Liebe Frau Lehrer! Nehmen Sie sich Zeit für die Anliegen ihrer Kinder. Seien Sie da und hören Sie zu. Oft braucht es nicht mehr. 

Und wir denken nach, was es noch braucht: Wo sollen Gespräche stattfinden, bei denen man sich wohl fühlt? Im Garten, sagt einer der Burschen. Da ist’s grün und das mögen die Menschen. Alle lachen und ich muss sagen: Er hat recht. Erst unlängst habe ich gelesen, dass grün Menschen glücklich macht. Im Geiste nehme ich mir vor, die Wand in meinem Wohnzimmer grün zu streichen. 

Zugegeben, Renate hilft unsere Lösung so viele Jahre nach dem Ende ihrer Schulzeit vielleicht nicht mehr. Die Erinnerungen an dieses traurige Kapitel ihrer Kindheit haben sich eingebrannt. 

Den Kids, die heute an Renates Problem gearbeitet haben, aber vielleicht schon. „Jetzt gehen wir aber wirklich in den Garten“ sagt die Lehrerin, die die Klasse heute begleitet hat. Und seine Klassenkameraden klopfen dem Burschen anerkennend auf die Schultern. 

Ich bleibe mit dem Gefühl zurück, dass die eineinhalb Stunden vielleicht einen kleinen Denkanstoss gegeben haben. Und die Kids was aus der Geschichte eines Menschen gelernt haben.

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