Bericht

Die Sache mit dem 50er

Hat jemand alle Ausstellungen seit 1974 gesehen?

Haben Sie je Panini-Pickerl gesammelt? Die gehören seit 1980 zu jeder Fußball-EM und -WM dazu. Die Sammelalben und die Abziehbilder haben Kultstatus, für junge Fans, aber auch für Ältere. Man will das Album komplett haben. Haben Sie bei Ausstellungen auch so ein ähnliches Gefühl? Wenn, dann jedes Jahr … auf die Schallaburg. 1974, also vor 50 Jahren, hat es die erste Ausstellung gegeben. Wie viele haben Sie besucht? 

Gleich vorweg: Ich bin immer gerne auf die Schallaburg gefahren, aber ich habe es nicht jedes Jahr geschafft. Warum? 

  • „Keine Zeit“, diese Erklärung kennen vermutlich viele Menschen. Gilt aber als Ausrede eigentlich nicht. 
  • „Übersehen, dass sie schon bald zu Ende ist.“ Naja, sollte auch nicht gelten, denn wenn jemandem etwas wichtig ist oder wenn man ein spezielles Interesse hat, dann sollte eine neue Ausstellung asap besucht werden.

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© Rupert Pessl

Bei viele Ausstellungen war ich als Journalist des ORF Niederösterreich seit Mitte der 1980er-Jahre aus beruflichen Gründen. Das Ergebnis waren Berichte fürs Radio und fürs Fernsehen, später dann auch für ORF.at. Und kein Bericht war wie der andere. Einmal war es eine Vorschau, was das wissenschaftliche Team inhaltlich plant, dann war es ein Bericht über exklusive Exponate, für die man auf welch verschlungenen Wegen auch immer eine Zusage bekam, es waren viele Reportagen über Eröffnungen dabei, bei denen der Zeitplan schon bei der Begrüßung über den Haufen geworfen wurde, Berichte über Symposien auf der Schallaburg, über den 50.000 bzw. 100.000 oder den 200.000 Besucher bzw. Besucherin, nicht zu vergessen die zahlreichen Sonderveranstaltungen, den Adventmarkt und vieles andere mehr!

irgendwas mit erste Ausstellung

Auf keinen Fall werde ich jetzt alle Ausstellungen aufzählen, die ich seit meiner ersten – damals beruflich bedingten Fahrt auf die Schallaburg – gesehen habe. Die erste war die Peru-Ausstellung im Jahr 1983, viele sind ihr dann gefolgt! Schon meine zweite Ausstellung war eine der erfolgreichsten, die es auf der Schallaburg gegeben hat: „Die ‚wilden‘ fünfziger Jahre“. Der Untertitel war Programm: „Formen und Gefühle eines Jahrzehnts“. Kurator war der Zeithistoriker Gerhard Jagschitz, tolle Exponate aus dem Alltag in Vitrinen, wie ich sie damals noch im Haus meiner Großeltern sehen konnte. 

Und schon 1985 wusste der in der Kulturabteilung des Landes für die Schallaburg verantwortliche Gottfried Stangler (mit dem ich unzählige Interviews gemacht habe): „Diese Ausstellung behandelte ein Thema für die ‚ganze Familie‘: Die Großeltern sahen ihren Wiederaufbau gewürdigt, die Eltern ihre Jugend dargestellt und die Kinder erlebten die romantische Verklärung einer Zeit, die sie nur aus den Erzählungen ihrer Eltern kannten.“ Ein Geheimrezept aus dem Jahr 1985 für erfolgreiche Ausstellungen.

Fakten & Zahlen

Ein kleiner Sprung zurück ins Jahr 1974 und zur ersten Ausstellung in der restaurierten Schallaburg, dem schönsten Renaissanceschloss nördlich der Alpen, wie sie oft genannt wird. Wenn man heute liest und Fotos sieht, wie das Schloss ausgesehen hat, als es vom Land Niederösterreich übernommen wurde und was alles dann ab 1968 saniert werden musste, so ist das eine unvorstellbare Leistung, auf die man bei der Eröffnung am 21. Mai 1974 auch mit Recht stolz sein konnte. 323.125 Menschen kamen bis Mitte November auf die Schallaburg, um die Renaissanceausstellung zu sehen, die übrigens gleichzeitig die siebente Niederösterreichische Landesausstellung war. Die erste Landesausstellung war 1960 im Stift Melk, von 1962 bis 1967 gab es jährlich eine, dann folgte eine Pause, bis 1973 im Schloss Petronell „Die Römer an der Donau“ gezeigt wurde, und ein Jahr später dann die Schallaburg.

Exkurs

Journalisten, die in den Ressorts Geschichte und Kultur arbeiten, verbringen viele Stunden in Archiven und Bibliotheken. Ich will und kann gar nicht schätzen, wie viele Stunden, nein, Wochen, ich insgesamt in der Niederösterreichischen Landesbibliothek verbracht habe (früher in Wien, seit mehr als 25 Jahren in St. Pölten). Es ist eindeutig meine Lieblingsbibliothek, und wenn Sie noch nie dort waren, nehmen Sie sich Zeit, schauen vielleicht schon zu Hause in den online-Katalog, auf Ihr bestelltes Buch warten Sie dann keine zehn Minuten, und der Lesesaal hat eine unvergleichliche Atmosphäre! 

-> Bild von sich in Bibliothek?

Recherche

Zurück zur Bibliotheksrecherche. Das Land Niederösterreich hat die Monatszeitschrift „Niederösterreichische Kulturberichte“ von 1950 bis 1998 herausgegeben, eine Fundgrube auch für Schallaburg-Interessierte! In der Ausgabe XII/1974 ist auf Seite 2 eine erste Bilanz über die Renaissance-Ausstellung, unter anderem liest man: „Nach einer ersten Übersicht sind 84 Prozent der Besucher aus dem Inland gekommen, 16 Prozent aus dem Ausland. 53 Prozent waren Einzelbesucher, 23 Prozent Gruppenteilnehmer, 11 Prozent Schüler und Studenten und weitere 11 Prozent Schülergruppen. An den Führungen durch das Schloß haben 39 Prozent der Besucher teilgenommen. Weiters wurden 17.689 Kataloge, 76.700 Ansichtskarten und rund 7.000 Diapositive verkauft.“

© Rupert Pessl

Welchen Stellenwert die Schallaburg für das Land Niederösterreich hatte, sieht man auch anhand einer Besucheranalyse, an der 935 Personen (3,5 Prozent der Gesamtbesucherzahl) teilgenommen haben. Die „Kulturberichte“ bringen im März 1975 die wichtigsten Ergebnisse. Die beliebtesten Besuchstage sind Sonn- und Feiertage, gefolgt von Samstagen, der schwächste Besuch ist an Montagen, die aber zu „Familientagen“ umfunktioniert werden könnten, um Familien mit Kleinkindern den Besuch zu erleichtern, außerdem sollte für diesen Wochentag auch ein Kindergarten eingerichtet werden, so der Vorschlag einer mit der Auswertung der Analyse befassten Arbeitsgruppe. 

Die durchschnittliche Besuchsdauer beträgt zwei bis drei Stunden. Über die Altersstruktur heißt es: „Die jüngere Generation (10 – 39 Jahre) war mit 52,4 Prozent, also ungefähr die Hälfte, vertreten, die Besucher über 60 Jahre immerhin noch mit 17,6 Prozent der Gesamtbesucherzahl.“ 43 Prozent der Gäste kamen aus Niederösterreich, 41 Prozent aus Wien, sieben Prozent aus Oberösterreich. 72 Prozent der Befragten sagten, dass sie die Ausstellungspräsentation für „sehr gut“ befinden, 83 Prozent würden noch ein zweites Mal auf die Schallaburg kommen, 81 Prozent hielten den Eintrittspreis (25 Schilling) für angemessen. Als Begründung für den Ausstellungsbesuch gaben 30 Prozent „das Thema“ an, 38 Prozent „das allgemeine Interesse“ und 17 Prozent „das Ausflugsziel“. „Diese Daten erscheinen deswegen besonders aufschlußreich, weil sie eine Interessenslage darlegen, die für die zukünftige Funktion des Hauses nicht ohne Bedeutung sein sollte“, so Beitragsautor Wilhelm Zotti. 

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